Normalerweise ist die Länge der Mittellinie von gebogenen Rohren, wie sie in der Kraftfahrzeugtechnik verwendet werden, identisch mit der Ausgangslänge des noch geraden Rohres, weil bei Biegen des Rohres innen das Material gestaucht wird und außen in gleichem Maße gedehnt.
Weil aber ausdrücklich angegeben war, daſs es sich um ein Ofenrohr handelt, fiel mir sogleich ein, daſs bei einem solchen dünnwandigen Rohr der Außenradius reißen würde und somit das Rohr unbrauchbar werden.
Eigentlich ist diese Frage völlig eindeutig. Weil ich aber auch schon bei Klassenarbeiten auf der Hauptschule einigen Fangfragen begegnet war, die ich einerseits als solche beantwortete und die andererseits aber gar nicht als solche gedacht waren, was das Bewertungsergebnis etwas heruntersetzte, führte ich der Berufsfachschule sowohl die klassische (d·h· die an der Mittellinie des Rohres orientierte) Berechnungsart aus als auch die praktisch sinnvolle (d·h· die an der Außenlinie des Rohres orientierte).
Der ersten Antwort fügte ich hinzu, daſs der Außenradius reißen würde und daſs deswegen die neutrale Phase (d·h· das beim Biegen des Rohres konstant bleibende Längenmaß) zu verschieben ist vom mittleren zum äußeren Biegeradius, wodurch am Außenradius das Material unbeschädigt bleibt und am Innenradius in doppeltem Ausmaß gestaucht werden wird.
Somit hatte der prüfende Lehrer die Möglichkeit, sich je nach dem, wie die Frage gemeint war, das passende Ergebnis heraussuchen. Es hatte sich nach der Rückgabe der Aufgabenblätter herausgestellt, daſs die Frage (anders als die in der Hauptschule) tatsächlich als Fangfrage zu verstehen war.
Dies war zu einer Zeit, als ich es erstmals als lohnenswert erachtete, über Dinge, die nach genauerem Hinsehen sich mir anders darstellten als vermittelt worden, genauer nachzudenken, sie näher zu betrachten und auch darüber zu sprechen. Bald darauf begann ich damit, auch Ernährung einer genaueren Betrachtung zu unterziehen…

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