Samstag, 10.10.2015

Um dreiviertel fünf klingelte mich das Handy des Schwiegersohns wach. Er schlief im Nebenzimmer. Während ich bereits in's Bad ging, schlief er ungeachtet des Alarms immer noch tief und fest. Unglaublich, hihi. Ihm war die Ehre zuteil geworden, heute meinen Mann auf die Baustelle im Norden zu begleiten.

Ich selber habe mich an mein gestern begonnenes Werk gemacht und weiter Platz für den in Kürze aus Melbourne zurück erwarteten Sohn geschaffen. Vermutlich wird er vorübergehend hier einziehen. Wenn seine thailändische Freundin bis dahin ihr Visum hat, wird sie gleich mitkommen, anderenfalls eben später. Dieses Ausräumen ist immer wieder erfüllend.

Dann habe ich noch mal ein Stündchen beide Augen zugetan. War das schön.

Für heute Vormittag stand ein Arbeitseinsatz im Erholungsverein unseres Bungalows auf dem Programm. Oft genug habe ich mich davor gedrückt. Heute hatte ich Lust, Zeit, Kraft und Energie dafür. Buddelflink hatte mal wieder alles organisiert, allerdings aus meiner Sicht mehr schlecht als recht. Er zersägte den riesigen Baumstamm einer Weide und wir sollten in diesem Lärm und Benzingestank die große Wiese am Strand harken. Ich bin immer wieder erstaunt, was für andere Menschen völlig normal zu sein scheint. Außer mir hat das wohl niemanden gestört. Ich habe bald herausgefunden, wo ich weniger belastet wurde und habe es überlebt.

Ich frage mich jedoch, was dieser ganze Zirkus insgesamt soll. Es ist laut Buddelflink eine große Festwiese geplant, mit Fußballplatz, Volleyballnetz und Bänken für die Alten zum Bier trinken. Grundsätzlich nicht schlecht, aber da will er sich wohl mal wieder selbstverwirklichen und eine Aufgabe für die nächsten Jahre sichern. Ich hingegen glaube, so eine schöne glatt gewalzte und gemähte Wiese, wie sie ihm vorschwebt, zieht eher alles mögliche Volk zum wilden Camping an. Die auch heute vorhandenen Angler sind noch die angenehmsten. Vor Jahren waren aber Horden volltrunkener Jugendlicher da und die sollte man vielleicht nicht durch zu viel Luxus wieder anlocken. Jetzt, wo alles etwas verwildert ist, haben wir nämlich Ruhe.

Als das fröhliche Zusammensein angekündigt wurde und die Bierflaschen geholt wurden, war es für mich Zeit zu gehen. Zuerst saß ich noch am glitzernden See, die pure Idylle.

Ab viertel eins gab im herrlichen Sonnenschein sehr leckere Petersilienwurzeln. Nach exakt 250 g war die zunehmende Beklemmung im Brustbereich nicht mehr zu ignorieren. Es folgte eine Niessperre.

Eigentlich wollte ich es dabei belassen, aber die grünen Äpfel vom Baum hinter dem Bungalow zogen mich magisch an. Sie schmeckten wunderbar, so knackig und saftig-süß. Nach fünf mittelgroßen Exemplaren war ich satt und zufrieden, was etwa einer Menge von 700 g entsprach.

Anschließend habe ich ein paar dieser leckeren Äpfel gepflückt. Das Schöne an solchen alleinigen Ausflügen ist, dass ich dann wirklich nur die reifsten Exemplare nehmen und den Rest hängen lassen kann. Mein Mann hingegen pflückt den Baum dann ratzekahl, egal, ob reif oder halbreif.

Als die Sonne um halb zwei hinter den Bäumen bereits verschwand und es mir auf der Terrasse zu kühl wurde, bin ich zu einem Spaziergang um das Dorf aufgebrochen.

Dabei ist mir mal wieder ein Licht aufgegangen. Wir können noch so biologisch, saisonal und regional essen, der unmittelbare Aufenthalt in der Natur ist durch nichts zu ersetzen. Die himmlische Phase, die ich mit Sauerampfer hatte, kam völlig unerwartet und beruhte auf Intuition während des Spaziergangs. Da kann ich noch so viel ins Büro mitnehmen, im Bioladen kaufen, bei Versendern bestellen, solche Nuancen findet man nur in wirklichem Einklang mit der Natur.

Sehr gefreut habe ich mich auch über den Anblick wirklich glücklicher Hühner. Sie gingen im Dorf spazieren, scharrten und pickten nach Herzenslust. Ich weiß aber nicht, ob das so gewollt war oder ob sie irgendwo über den Zaun geflogen sind. Hihi.

Seit heute weiß ich übrigens, dass es zwei Schäfer im Ort gibt, aber beide nur an gute Bekannte verkaufen. Egal.

Dann habe ich zu meiner großen Freude doch tatsächlich noch eine Stelle mit Zwetschgen gefunden. Sie lagen fast alle unten, aber waren größtenteils noch herrlich in Ordnung, zahlreiche vom Stiel abwärts oder komplett angetrocknet. So eine wunderbare Überraschung! Und im Gegensatz zu den halbgetrockneten Feigen ist in dieser Frucht noch Leben, weil trotz des begonnenen Trocknungsprozesses die blaue Farbe erhalten geblieben ist.

Allein die Freude, die ich beim Einsammeln hatte, wäre über kein Paket oder Einkauf im Bioladen zu erreichen gewesen. Ich hatte auch gar nichts zum Sammeln mitgenommen, weil ich noch mehr als genug Obst zu Hause habe. Aber dann fand ich in meinen Rucksack zwei Tüten und nahm sie mit, man kann schließlich nie wissen. Ich versteckte die prall gefüllte Tüte mit den Pflaumen im Schatten hinter Sträuchern, weil der Weg noch weit war und ich ohnehin mit dem Auto auf dem Rückweg dort vorbei kam.

Und wieder einmal kam ich nicht an zwei wunderschön anzusehenden rotbackigen Apfelsorten vorbei. Ich nehme fast ausschließlich Fallobst, weil es am reifsten ist und ich dann auch nicht das Gefühl habe, jemandem etwas wegzunehmen.

Als ich mir gut zwei Stunden später am Bungalow meine heutige Ausbeute sehr zufrieden ansah und daran roch, haute es mich fast um. Eine Apfelsorte roch identisch nach der Wohnung meiner Mutter. Kaum zu glauben. Es hat ja jede Familie ihren eigenen Geruch und bei ihr war es genau dieser Duft, den ich bisher nirgendwo wahrgenommen hatte. Sie hat sehr gerne Äpfel aus dem Garten gegessen und vermutlich war es genau diese Sorte, die sie immer vorrätig hatte. Erst hat es mich irritiert, nach mehr als drei Jahren wieder diesen Geruch in der Nase zu haben, aber letztlich bin ich froh, dass er reproduzierbar ist. Ich habe heute noch oft an diesen Äpfeln gerochen.

Auf dem Rückweg habe ich noch eine kleine Tüte mit einer weiteren Sorte Birnen eingeladen. Sie sind vergleichsweise groß, aber von der Form der kleinen wilden sehr ähnlich. Es gibt immer noch so viel zu entdecken.

Es ist ja fast beschämend, dass ich erst heute den Walnussbaum direkt neben dem Bungalow entdeckt habe. Um diese Jahreszeit war ich sonst nicht mehr dort und ohne Brille sehe ich nur, was mir direkt vor die Füße fällt oder in der Nase kitzelt. Heute nun hörte ich Buddelflink von den Nüssen reden, wurde natürlich neugierig, ging gucken und schon stand ich auf einer. Hihi.

Das war so ein wunderschöner Tag, wie ich ihn mir niemals erträumt hätte. Tief beglückt fuhr ich nach Hause.

Hier kam als erstes der Hund zu seinem Futter und einer Streicheleinheit.

Danach habe ich mein eingesammeltes Futter wie üblich nach drei Kategorien sortiert: sofort verbrauchen, bald essen, lagern möglich.
Hoffentlich hat sich mein Mann an meine Bitte gehalten und bringt kein weiteres Obst mit. Er selber isst kaum was und für mich ist über Wochen gesorgt.

Meine Schwester schickte mir ein Bild vom Durian essen aus Asien. Gönne ich ihr neidlos. Ich habe gerade hier mein Paradies.

Inzwischen meldete sich der Hunger. Der Tafelspitz hing mit Lammrippen, Hirschhaxen und Weideschwein an der Ampel und hat knapp, aber deutlich vor den Innereien vom Wasserbüffel gewonnen. Er hatte mich schon gestern stark angeduftet. Danke lieber Herr Maßmann für diesen tollen Tipp. Ich hatte eigentlich nur eine Semerrolle bestellt, aber dann empfahl er mir auch den Tafelspitz aufgrund seiner Fettauflage.

Nach 524 g war der restliche saftige Anteil aufgegessen und das Fleisch wurde unangenehm matschig im Mund. Perfekt.

Für den Hund blieben über 200 g trockener Außenrand. Dafür bedankt er sich gerade, indem er sehr fit und lautstark den Hof verteidigt. Wer weiß, wer und was da am Samstagabend wieder alles herumkriecht. Danke, Leo! Wir zwei sind schon ein tolles Team, hihi.