Samstag, 12.9.2015

Nun sind wir wieder auf Reisen. Vor uns liegen drei freie Tage mit wieder netten Temperaturen. Wie es halt ist, wenn Engel verreisen, hihi.

Im Gepäck habe ich für mittags ein paar Äpfel und 2 Schalen Renekloden, 500 g Erdbeeren und die letzten beiden Geschenke von Orkos: vier Sapote Blanco und Duku Langsat sowie zwei Kohlrabi und ein paar kleine Tomaten.

Für das Abendessen habe ich eine wesentlich umfangreichere Palette eingepackt: eine Kokosnusspagode, 1 kg Miesmuscheln, vom Lamm einen Kopf, die restlichen Nieren mit Fett und Röhrenknochen, vom Weideschwein aufgesägte Röhrenknochen, ein Gehirn und eine Niere sowie vom Hirsch eine angetrocknete Haxe und in zwei Gläsern den zerlegten Rücken mit dem dicken Strang Rückenmark. Das sollte für drei Abende locker reichen und eine gute Auswahl ermöglichen.
Die Auswahl erfolgte ausschließlich mit dem Verstand. Ich war noch so satt vom gestrigen Abend, dass ich keinerlei Bedarfe hatte. Nur vom Wasserbüffel wollte ich nach 5 Mahlzeiten in 7 Tagen eine Pause einlegen.

Heute vor 28 Jahren haben mein Mann und ich geheiratet. Als ich morgens das Fleisch zusammenpackte, sagte ich schmunzelnd zu ihm, dass er sich das sicher nicht habe träumen lassen, dass sein Eheweib mal höchste kulinarische Genüsse in rohen Tieren finden würde. Wäre mir selbst ja auch nicht in den Sinn gekommen. Aber er meinte, er hätte so manches ohne mich verpasst. So wie ich ohne ihn auch. Zwar haben wir damals nicht annähernd geahnt, was uns für Stürme im Laufe der Jahre bevorstehen, aber das war auch gut so. So sind wir fröhlich in den Reigen der Ehe getanzt. Und nun ist es Grund genug, diesen Anlass alljährlich an einem schönen Ort zu begehen. Nach Städtereisen nach Prag, Budapest und Wien sind wir nun seit drei Jahren auch zu dieser Zeit am liebsten am Meer.

Pünktlich zur Mittagszeit um zwölf kamen wir in Zingst an und sind sofort an den Strand gegangen. Dort hatte ich eine himmlische Phase mit intensiver Bewegung, Füßen im Wasser und zahlreichen Radschlägen. Auf Letzteres hatte ich den ganzen Sommerurlaub keine Lust. Und heute nun hatte ich Spaß ohne Ende daran. Meinen Mann habe ich nach einer Weile im Sand ein Nickerchen machen lassen. Meine Intensität bei der Bewegung ist ihm einfach zu viel. Vor allem aber muss für ihn körperliche Aktivität zweckdienlich und anschließend ein Ergebnis sichtbar sein. Stundenlanger Ausdauersport einfach nur zum Spaß ist für ihn die reinste Zeit- und Energieverschwendung.
Und so konnte ich mich hemmungslos austoben und bin weit, weit gelaufen. Ab um zwei hätte ich gerne was gegessen, hatte aber nichts mitgenommen und es ging auch so. Das ist ohnehin eine ungünstige Zeit für Obst, weil es zu kurz bis zum Abendessen ist. Im Geiste war ich nämlich wieder auf Tier gepolt oder lechzte nach nicht eingepackten Erdnüssen. Aber es kam gänzlich anders:

Um 16 Uhr gab es 1673 g Renekloden. Göttlich. Wieder hatte ich das Empfinden frischer Datteln, sooooo lecker. Genau die letzte war mir dann zuviel und ich habe sie ausgespuckt.

Anschließend sind wir bei inzwischen wolkenlosem Himmel erneut zum Strand gegangen. Mehr brauchen wir nicht zum Glücklichsein. Dort war ein blutjunges Brautpaar. Ich habe ihnen gratuliert und ihnen von unserem Tag vor 28 Jahren erzählt. Es waren nette Leute, hat Spaß gemacht.

Inzwischen ist es hier deutlich leerer als vor drei Wochen und statt der Familien mit Schulkindern sind nun ältere Menschen und Familien mit Kleinkindern hier. Dazu passte auch das heutige Musikangebot auf der Freilichtbühne: ein Wettbewerb der Shentychöre. Ein paar große Sandburgen haben wir bewundert. Auch die Hobbyfotografen mit Stativen für den Sonnenuntergang waren wieder da. Im Hafen steht ein riesiges Segelschiff, auf dem man mitsegeln kann. Ich fühle mich umgehend wieder im Urlaub. Als wenn ich nur mal kurz zu Hause war. Arbeit ist wieder ganz weit weg. Gut so, ich hatte schon wieder viel zu viel um die Ohren und konnte auch abends nur schwer abschalten.

Und hier ist ein Paradies. Eines von mehreren.

Abends lese ich dann im Blog von Matthias. Hatte ihn hier im Forum schon vermisst (scheint ja keine Verlinkung mehr zu geben...) und nun eine unterhaltsame und wieder mal sehr anregende Lektüre gefunden. Mir persönlich ist es völlig egal, ob er sich Salate mischt, Butter isst etc. Es scheint ihm gut zu gehen, was will er mehr?
Und ich freue mich genauso wie er auf die herbstlichen Genüsse mit Nüssen und Gemüse. Auf Nüsse hätte ich jetzt ähnlich große Lust wie ich zu Beginn des Sommers sehnsüchtig auf die frischen Feigen gewartet habe. Aber dem alten Zeug vom Vorjahr ziehe ich momentan frisches Weidefleisch vor.
Die Geschichte mit der Fruktose, die die Sättigung behindern soll, wovon Matthias berichtet, das werde ich mal verfolgen. Sehr interessanter Ansatzpunkt, der einiges erklären würde.

An dieser Stelle möchte ich mich auch mal wieder bei allen Blog- und sonstigen Schreiberlingen bedanken. Ich freue mich jeden Tag über die kulinarische Speisekarte anderer Rohis, über Einblicke in eure Tagesgestaltung und diverse, uns betreffende Themen, für die kein Außenstehender den notwendigen Verstand (bzw. Verständnis) und oft auch nicht das Interesse hat.

Sonntag, 13.9.2015

Ich habe nicht besonders gut geschlafen. Musste nachts mehrfach auf die Toilette und vor allem aber habe ich viel Schleim aus Lunge und Nase ausgeschieden. Was war das jetzt? Stimmt doch was mit dem Wasserbüffel nicht? Andererseits habe ich nach ihm gestern fast 10 h wunderbar geschlafen und war so gut drauf. Klimatisch bedingte Reinigung? Oder liegt es daran, dass ich bei Äpfeln und Renekloden immer wieder über die erste Bauchsperre und bis zur Geschmacks- und/oder Aufstoßsperre esse? Gestern auch. Unsere Vermieterin hat diesmal aber auch mit sehr stark riechenden Putzmitteln gewirbelt. Das gab es noch nie, dass mir hier ständig ein störender Duft in der Nase lag, obwohl ich durchgehend das Fenster weit geöffnet habe. Nächsten Sommer bringe ich mein Zelt mit.

Morgens werde ich mit Regen begrüßt. Na bloß gut, dass ich gestern so viel gelaufen bin. Da kann ich mich heute in Ruhe der aktuellen Ausgabe des "Focus" mit der Frage, was besser sei, regional oder bio, widmen. Und wie es der Zufall so will, ist auch ein Bild von Sonja und Dieter Moor und ihrem Bauernhof drin.

Letztlich bestätigt sich meine Vermutung: regional ist gut, aber sagt nichts über die Qualität aus, regional + bio ist also besser und regional + bio + saisonal natürlich das Optimum. Äpfel werden übrigens schon im Oktober eingelagert, las ich. Das ist gut zu wissen, wenn man auf CA - Ware keinen Wert legt.

Es regnet und regnet, aber es gibt wahrlich Schlimmeres, als den Vormittag im Bett zu bleiben. Ich fühle mich trotz allem recht gut ausgeschlafen. Mein Mann sagt, ich habe wieder zugenommen, alles ist gut.

Um halb elf kann ich dann endlich zu einer 90 minütigen Spazierrunde über den mit herrlichem Rukkola bewachsenen Deich aufbrechen, vorbei an Brombeeren und zarter Knoblauchrauke, über den verwaisten Sportstrand zurück durch das Dorf, wo ich am Obststand schnuppere. Mein Mann aalt sich derweil mit einem lustigen Buch weiter im Bett.
Das Wasser hat jetzt noch 16 Grad, barfuß im Sand laufen ist aber immer noch schön. Die DLRG - Häuschen sind abgebaut, die Saison ist eindeutig zu Ende.

Zum Mittagessen gab es ein paar Reste: eingeschrumpelte Kirschtomaten, 127 g, knapp ein Schälchen Erdbeeren, etwa 450 g (mein zweiter Versuch mit Monatserdbeeren wird auch vorerst mein letzter sein, die Zeit ist einfach vorbei und sie sind komisch hart), 195 g Duku Langsat, etwa 2 Sapote Blanco, schon matschig und vergoren, 183 g, Rest flog weg und zu guter Letzt 8 wunderbar reife gelbe Äpfel, ca. 1 kg.

Inzwischen war die Sonne wieder da. Von den Einheimischen wissen wir, dass um 11 Uhr und um 13 Uhr eine Wetterwende möglich ist und das hat heute wieder gut geklappt.

Nachmittags waren wir lange am Strand. Dort bin ich zu Hochform aufgelaufen. Ich habe im Sand geturnt wie seit mindestens fünf Jahren nicht mehr, hatte eine wunderbare Körperspannung, habe diverse Handstände gemacht und viele Räder geschlagen. Einfach sowas von schön. Mein Mann sagte, es sehe alles so leicht aus. Und so habe ich es auch empfunden, bis es irgendwann natürlich auch anstrengend wurde. Ich war auch kurz im Meer, habe mich anschließend im Sonnenschein bei Dehnungsübungen trocknen lassen. Es war einfach traumhaft. Bei strahlender Sonne konnte ich sogar noch mal nackig spazieren gehen, bin gehüpft und gesprungen wie auch seit Jahren nicht mehr, fast wie als Kind. Und ich habe 600 x die von mir so bezeichneten Schlenkerübungen aus dem Thai Chi gemacht, mit denen die Chinesen morgens den Tag beginnen und darüber ihre inneren Organe aktivieren. Kaum ein Mensch, der mich dabei sehen konnte, wir waren im Niemandsland zwischen den beiden Ostseebädern Zingst und Prerow und nur wenige Spaziergänger unterwegs. War das guuuuuuut.
Am Meer zu leben, wird immer mein Wunsch sein.

Zum Abendessen gab es dazu passend ausgesprochen delikate Miesmuscheln. Als erstes habe ich 197 g von dem ausgetretenen Salzwasser getrunken. Seeeehr lecker und reichhaltig. Das Muschelfleisch sperrte bereits nach wenigen Stück und einer Minimenge von 33 g durch kräftigen Hustenreiz. Aber nichtsdestotrotz war es unglaublich lecker. Das mache ich bald wieder. Aufgrund der geringen Menge habe ich noch die beiden Kohlrabi mit 593 g gegessen. Der erste stammte noch von hier und war schon etwas alt, aber der zweite war von unserem Gärtner zu Hause und super gut. Der hat eine Kundin mehr.

Anschließend haben wir uns von der Ostsee verabschiedet. Mein Mann meinte, dass ihm immer wieder bewusst werde, dass er im schönsten Teil Deutschlands groß geworden ist: der Darß, die Inseln Rügen und Hiddensee sowie die wunderschöne Stadt Stralsund um die Ecke. Ob ich nicht auch hier würde leben wollen??? Als hätte er meine Gedanken von heute Nachmittag erraten...

Vielleicht bekommt ihr irgendwann nicht nur Susannes Tagebuchberichte aus dem südlichsten Teil Deutschlands, sondern auch meine aus dem nördlichsten.

Montag, 14.9.2015

Na gut, Kohlrabi am Abend war jetzt was zum Abgewöhnen. Zu viel Wasser. Lektion hoffentlich endlich gelernt. Aber ein Grund dafür war auch, dass ich mich heute mittag nicht so ausgehungert auf das Obst stürze und mich damit für abendliches Fleisch blockiere.

Dennoch habe ich besser und vor allem schleimfrei geschlafen. Die Ursache des beißenden Geruchs im Schlafzimmer habe ich gefunden: das Kopfkissen wurde frisch gewaschen.

Gleich morgens gucke ich nach aktuellen Stellenangeboten für Stralsund und Zingst. Nicht wirklich was Passendes gefunden. Es ist uns natürlich klar, dass ein beruflicher Wechsel nicht einfach wäre und von uns beiden eigentlich auch nicht mehr angestrebt wird. Dazu haben wir uns zu gute Positionen erkämpft, um diese nun leichtfertig aufzugeben. Aber zumindest dann steht den schönen Monaten am Meer nichts mehr entgegen.

Die Alternative bestünde in einer Vermarktung des rohen Lebens vor Ort. Ich bin aber von dessen Tragfähigkeit nicht wirklich überzeugt und dann klappt es auch nicht.

Heute geht es wieder nach Hause. Diesmal mussten wir nicht die Wetterwende abwarten, denn es schien von frühem Morgen an die Sonne.

Nach Strand war uns heute dennoch nicht. Wir hatten beide Lust auf produktive Gartenarbeit und ohnehin vor, beim Haus meiner Schwiegereltern und unserer Obstwiese vorbeizufahren.

Es war so wunderbar dort. Als erstes habe ich alle Renekloden aufgesammelt, einige waren bereits matschig und angefressen. Dann habe ich noch einen Schuhkarton voll gepflückt.

Zur Mittagszeit gegen zwölf habe ich mich einfach auf den Rasen in die Sonne gesetzt und mich über die Kiste mit den heruntergefallenen Renekloden hergemacht. Sie waren gut, aber heute hätte es gerne auch noch intensiver süß sein können. Daher brauchte ich auch eine recht große Menge zur Zufriedenheit, schätzungsweise 1,5 - 2 kg.

Anschließend habe ich mit meinem Mann Äpfel gepflückt. Erstmals seit vielen Jahren bin ich einfach wieder den Baum hochgeklettert. Ich habe so viel Kraft in mir. Mit dem Apfelpflücker in den Händen hoch über Kopf zu hantieren und dabei im Baum stehend zu hantieren, das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Hat aber richtig Spaß gemacht. Ich war wie ein Bienchen, bin unter die Bäume gekrochen, habe Fallobst gesammelt, es war die reinste Freude.

Danach habe ich im Dorf noch Zwetschgen gepflückt. Auch hier gab es nun kein Halten mehr und ich bin geklettert, wo es ging.

Zum Schluss habe ich mir noch die letzten überreifen Brombeeren gepflückt. Das war ganz schön schwierig, weil sie so verwildert waren.

Die Belohnung bestand in einem Abstecher zum Strand, wo ich mich kurz im Bodden erfrischt habe.

Dann mussten wir leider, leider nach Hause fahren. Ich kann es gar nicht glauben, dass ich freiwillig in's Auto gestiegen bin. Im strömenden Regen fiel der Abschied etwas leichter.

Eigentlich hatte ich mich schon damit arrangiert, heute nichts mehr zu essen, weil es mittags so viele Pflaumen waren und wir erst um 19 Uhr hier waren. Aber dann duftete das ausgepackte Fleisch und selbst der Hund so anziehend, dass es keine Frage war, ob, sondern nur noch, was es geben wird.

Ab 20 Uhr gab es innerhalb der nächsten 30 Minuten ein wunderbar himmlisches Gehirn und einen langen Strang Rückenmark vom Weideschwein, 185 g. Ergänzend habe ich von den aufgesägten Knochen vom selben Tier das Fleisch abgeknabbert und mich am Knochengebälk gelabt, 223 g. Sehr lecker. Gerade nach sehr viel süßen Früchten habe ich oft einen besonders hohen Bedarf an Mineralien, vermutlich zum Ausgleich des zehrenden Zuckers.

Dieses Wochenende war für mich traumhaft schön.